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Am 1. und 2. September 2022 fand an der Hochschule Fresenius in Wiesbaden die Jahrestagung des Forschungsverbundes Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung (MOTRA) statt. Das Motto lautete „Radikalisierung in Zeiten von Corona“. Der Forschungsverbund NEOVEX hat sich mit drei Präsentationen vorgestellt und erste Forschungsthesen und -ergebnisse mit einem Fachpublikum diskutiert.

MOTRA ist ein interdisziplinärer Zusammenschluss von universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem Themenbereich Radikalisierung auseinandersetzen. Die bereits dritte Jahreskonferenz bot eine Plattform, Zwischenergebnisse der Teilprojekte vorzustellen und sie mit einem Fachpublikum zu diskutieren. Mit Impulsvorträgen, Panels, Podiumsdiskussionen und auch Online-Partizipation bot die MOTRA-K ein breites Potpourri an Formaten und zielte auf die Förderung eines Wissens-­ und Erfahrungsaustausches zwischen den Arbeitsfeldern Forschung, Politik und Praxis ab. Für NEOVEX besonders relevante Teilprojekte stellen das Protestmonitoring, Internetmonitoring und Technologiemonitoring dar. Hier waren Rechtsextremismus und Verschwörungstheorien Querschnittsthemen.

Vom NEOVEX Verbund vertreten waren das Hamburger und das Jenaer Teilprojekt. Verbundkoordinatorin Dr. Janina Pawelz stellte die Arbeit des Forschungsverbundes vor. In der Projektvorstellung thematisierte sie, welche neuen Gefährdungspotenziale, die aus dem Zusammenwirken von rechtsextremen Ideologien und Verschwörungstheorien auch jenseits der Corona-Krise entstehen können. Sie erörterte, welche Rolle die Vernetzung der Akteure und digitale Informationsräume haben und in welcher Verantwortung Technologieunternehmen stehen.

Stephen Albrecht vom IFSH Hamburg

Um Verschwörungstheorien ging es auch in dem Panel, auf dem Stephen Albrecht seine Überlegungen zu der Überschneidung von Verschwörungstheorien und rechtsextremen Ideologien vorstellte. IFSH-Teamkollege Albrecht skizzierte die Ziele und methodischen Herangehensweisen des IFSH-Teilprojekts und argumentierte, dass insbesondere antisemitische Verschwörungstheorien schon seit Jahrzehnten ein elementarer Bestandteil des Rechtsextremismus sind.

Die anschließende Diskussion drehte sich insbesondere um die Gefahr, die von Verschwörungstheorien ausgeht: „Nicht jeder Verschwörungsglaube ist per se unmittelbar gefährlich“, so Niklas Vögeding Veritas, der Beratungsstelle für Betroffene von Verschwörungserzählungen „aber häufig Katalysator für demokratiefeindliche und oder rechtsextreme Ideologien“. Wie das genau funktioniert, würde er gerne von der Wissenschaft wissen, so Vögeding. Dieser formulierte Bedarf aus der Beratungspraxis nimmt einen zentralen Aspekt des Forschungsverbundes NEOVEX auf.

Marcel Jaspert stellte erste Einblicke in die Projektarbeit auf dem Panel Mobilisierung offline & online Teil vor. Dabei ging er der These nach, dass die Politik digitaler Plattformen einen entscheidenden Einfluss auf die Mobilisierung (rechts-)extremistischer Akteure hat. Der Vortrag machte deutlich, dass Plattformen nicht lediglich neutrale Vermittler von Informationen, Kommunikation oder Transaktionen sind, sondern durch ihre strukturgebende, regelsetzende, moderierende und kontrollierende Macht als politische Akteure verstanden werden müssen. Vertiefen konnte das Argument mit einem Repertoire an Maßnahmen wie Deplatforming, Deamplifizierung oder öffentlicher Interventionen (bspw. Faktenchecks), mit denen Plattformen politisch handeln und einen entscheidenden Einfluss auf die (De-) Legitimierung von politischen Bewegungen haben.

Marcel Jaspert vom IDZ Jena

Ein Highlight der Konferenz war zudem die Podiumsdiskussion zum Thema Dialog zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik – Austausch auf Augenhöhe? Die Podiumsgäste aus Wissenschaft, Praxis und Politik diskutierten engagiert über die Frage, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in die politische und zivilgesellschaftliche Praxis besser Eingang nehmen können und welche Konflikte auftreten. Vertreter*innen aus Verwaltung und Zivilgesellschaft äußerten den Bedarf, Forschungsergebnisse zu den Themen Radikalisierung und Extremismus besser auf die praktische Anwendung zuzuschneiden.

Dies ist im sozialwissenschaftlichen Kontext allerdings nicht problemlos. So argumentierte Prof. Hanna Pfeifer, dass eine rein auf Verwertung ausgelegte Forschungslogik die Wissenschaftsfreiheit von Forschenden einschränke und zur Versicherheitlichung von Themen beitragen könne. Auch aus Sicht der Wissenschaftskommunikation betonte Dr. Stefan Kroll, dass eine funktionale Trennung der verschiedenen Bereiche unbedingt beachtet werden muss. So untersteht die Wissenschaft etablierten Mechanismen der Qualitätssicherung. Sie liefere eine Grundlage für politische Diskussion und nicht Direktive.

Podiumsdiskussion Dialog zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik – Austausch auf Augenhöhe?

Die diesjährige MOTRA-Jahreskonferenz wurde im NEOVEX Verbund sehr gut aufgenommen. Es wurden spannende Einblicke und engagierte Diskussionen resümiert. Dementsprechend gilt an dieser Stelle ein Dank an die Ausrichtenden für diese Plattform des Austausches und die gute Organisation auszusprechen.

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